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05. 09. 2020, 10:21
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 05. 09. 2020, 10:26 von Holger2.)
Hallo,
mal ein paar Klärungen zum Thema Ausschreibung:
Grundsätzlich muss jede Kommune ihre öffentlichen Nahverkehre ausschreiben. Eine Kommune kann sich aber unter bestimmten Voraussetzungen von der Ausschreibungspflicht befreien. Und zwar dann, wenn die Kommune den gesamten Verkehr in Eigenregie durchführen möchte. Andererseits darf die Kommune dann nicht außerhalb ihres Burgfriedens als Wettbewerber auftreten. Aus diesem Grund hat die Stadt Stuttgart die Buslinien in Leinfelden abgeben müssen.
Wenn eine Kommune ihr Netz vom Markt nimmt, kann ein privater Busunternehmer ein Linienbündel immer noch übernehmen, wenn er plausibel geltend macht, dass er die gleichen Leistungen eigenwirtschaftlich, also ohne weitere Zuschüsse betreiben kann. Damit soll verhindert werden, dass Gemeinden ihre Eigenbetriebe zur Versorgung altgedienter Parteimitglieder missbrauchen. So etwas ist beispielsweise in Pforzheim passiert.
In den großen Städten passiert so etwas normalerweise nicht, da sie ihre Linienbündel immer so zuschneiden können, dass ein Betrieb für private Anbieter unattraktiv wird. In Stuttgart werden immer die attraktiven Innenstadtlinien zusammen mit weniger attraktiven Stadtteillinien zusammen gebündelt. Außerdem besteht immer noch die Möglichkeit, einzelne U-Bahnen dazuzufügen. Aufgrund der hohen Anfangsinvestitionen ist ein Trambetrieb immer unattraktiv für eigenwirtschaftlichen Betrieb.
Anzumerken ist noch , dass bestimmte Zuschüsse natürlich auch der eigenwirtschaftliche Betrieb verlangen kann, etwa für den Schülerverkehr oder für die günstigere Beförderung von Schwerbehinderten - diese sind keine Zuwendungen im eigentlichen Sinne.
Holger
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(05. 09. 2020, 10:21)Holger2 schrieb: Andererseits darf die Kommune dann nicht außerhalb ihres Burgfriedens als Wettbewerber auftreten. Aus diesem Grund hat die Stadt Stuttgart die Buslinien in Leinfelden abgeben müssen.
Die SSB fährt mit der 86/82 immer noch nach Leinfelden. Nur die Linien, die keinen Meter auf Stuttgarter Gemarkung verlaufen, wurden abgegeben. 74, 76 und 77, die zum größtenteils außerhalb Stuttgarts verlaufen, sind nach wie von in SSB-Hand, auch der neue X7 hat nur 4 von 10+ Haltestellen im Stadtgebiet Stuttgart.
(05. 09. 2020, 10:21)Holger2 schrieb: In den großen Städten passiert so etwas normalerweise nicht, da sie ihre Linienbündel immer so zuschneiden können, dass ein Betrieb für private Anbieter unattraktiv wird.
Das gilt aber für alle Städte bzw. Landkreise, die den Status Quo erhalten möchen. Siehe Göppingen: die Linienbündel wurden so zugeschnitten, dass sie unter der Schwelle für eine Ausschreibung bleiben und wurden dann an die bisherigen Betreiber vergeben. Im Ostalbkreis läuft auch seit Jahren eine Posse, bei der das Landratsamit mit Ausschreibungen droht, die Busbetriebe diese mit Zugeständnissen aber immer wieder abwenden können.
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(05. 09. 2020, 10:21)Holger2 schrieb: Grundsätzlich muss jede Kommune ihre öffentlichen Nahverkehre ausschreiben. Eine Kommune kann sich aber unter bestimmten Voraussetzungen von der Ausschreibungspflicht befreien. Und zwar dann, wenn die Kommune den gesamten Verkehr in Eigenregie durchführen möchte. Andererseits darf die Kommune dann nicht außerhalb ihres Burgfriedens als Wettbewerber auftreten. Aus diesem Grund hat die Stadt Stuttgart die Buslinien in Leinfelden abgeben müssen. Soweit korrekt, wobei hier noch nicht alle Fälle juristisch entschieden sein dürften. Denn die SSB hat zwar Linien abgegeben, besitzt aber auch jetzt noch Konzessionen, die als fragwürdig anzusehen sind. Ein Teil davon hat man vor der letzten Vergabe aufgeräumt, einen Teil nicht.
(05. 09. 2020, 10:21)Holger2 schrieb: Wenn eine Kommune ihr Netz vom Markt nimmt, kann ein privater Busunternehmer ein Linienbündel immer noch übernehmen, wenn er plausibel geltend macht, dass er die gleichen Leistungen eigenwirtschaftlich, also ohne weitere Zuschüsse betreiben kann. Damit soll verhindert werden, dass ... Der angebliche Vorrang eigenwirtschaftlicher Angebote ist durchaus strittig. Mir ist noch keinen Fall bekannt, wo eine Vergabekammer oder nachfolgend ein Gericht einem eigenwirtschaftlichen Angebot tatsächlich den Vorrang gegeben hätten, aber durchaus Fälle, wo das nicht so war (z.B. Esslingen).
Das PBefG schreibt in der aktuellen Version (der Hinweis ist wichtig, genau in den Punkten gab es schon einige Änderungen!) zwar in §8(4), dass Verkehre eigenwirtschaftlich zu erbringen sind, beruft sich in §8a(3) dann aber wieder bezüglich der Eigenerbringung auf die EU-VO 1370/2007, in welcher keine Eigenwirtschaftlichkeit verlangt wird. Auch in §8a ist in Bezug auf die Eigenerbringung mit keinem Wort ein Vorrang von Eigenwirtschaftlichkeit erwähnt. Ob das aus §8 (4) konstruiert werden kann dürfte fraglich sein, da §8a sich auf EU-Recht beruft, §8(4) dagegen nicht. Und EU-Recht dürfte Vorrang haben...
Somit muss bei einer öffentlichen Ausschreibung zwar einem eigenwirtschaftlichen Angebot der Vorrang eingeräumt werden, nicht zwingend aber bei einer Eigenerbringung.
Als Link: Das PBefG beruft sich dabei in §8a(3) auf Artikel 5 Absatz 2 (und ggf. 4), ohne Einschränkungen zu machen:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/...d1e728-1-1
In Pforzheim hat die Stadt die Eigenerbringung ja schon nicht mehr weiterverfolgt, nachdem ein eigenwirtschaftliches Angebot eingegangen war - weil das ja ohnehin das Ziel der Stadt war. Ob die Stadt eigenwirtschaftlich an die RVS vergibt, oder die "eigenerbringenden" Stadtwerke nach der Vergabe an diese dann an die RVS verkauft, ist letztendlich egal. Pforzheim dient zwar immer wieder als Beispiel, was aber falsch ist, weswegen ich die Lage dort immer wieder erkläre.
(05. 09. 2020, 10:21)Holger2 schrieb: In den großen Städten passiert so etwas normalerweise nicht, da sie ihre Linienbündel immer so zuschneiden können, dass ein Betrieb für private Anbieter unattraktiv wird. In Stuttgart werden immer die attraktiven Innenstadtlinien zusammen mit weniger attraktiven Stadtteillinien zusammen gebündelt. Außerdem besteht immer noch die Möglichkeit, einzelne U-Bahnen dazuzufügen. Aufgrund der hohen Anfangsinvestitionen ist ein Trambetrieb immer unattraktiv für eigenwirtschaftlichen Betrieb. In Stuttgart und anderen großen Städten wurde gar nichts gebündelt, das lief über den Nahverkehrsplan, weswegen der ja in den Jahren zuvor überhaupt erst aufgestellt wurde. Da gibt es aber auch keine Bündelung in Linienbündel, da der Aufgabenträger hier das Recht hat, aus Qualitätsgründen einen einheitlichen Betreiber vorzusehen.
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Ja stimmt. Richtigerweise muss man sagen, dass die Linienvergabe per Vorabankündigung im EU Amtsblatt angekündigt wurde und dann vollzogen wurde, da es innerhalb 3 Monaten keine Einwändungen gegeben hat.
Für die Eigenwirtschaftlichkeit gelten sehr strenge Richtlinien. Es reicht nicht nur, die gleichen Linien zuschussfrei anzubieten. Das Angebot muss besser sein und der Anbieter muss schlüssig darlegen können, dass er die Leistungen über den gesamten Zeitraum leisten kann. Daran sind die Anträgein Esslingen gescheitert.
Was den Nahverkehrsplan angeht, da hat sich die Stadt ganz schön über den Tisch ziehen lassen. Im Prinzip wird darin das Liniennetz der 80er Jahre manifestiert. Die maximale Entfernung sollte max. 500m zur nächsten Haltestelle sein, außer bei x, y oder z. Dies wird kaum irgendwo erreicht. Zum Vergleich: In Frankdurt sind es 350m.
Holger
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(05. 09. 2020, 21:46)Holger2 schrieb: Für die Eigenwirtschaftlichkeit gelten sehr strenge Richtlinien. Es reicht nicht nur, die gleichen Linien zuschussfrei anzubieten.
Das Angebot muss besser sein und der Anbieter muss schlüssig darlegen können, dass er die Leistungen über den gesamten Zeitraum leisten kann. Ja, denn da hat es Fälle gegeben, wo Linien über ein eigenwirtschaftliches Angebot vergeben wurden, und der Betreiber dann Nachforderungen gestellt hat und den Fahrplan gekürzt hat. Dem Aufgabenträger blieb dann nichts anderes, als dann doch zuzuschießen.
(05. 09. 2020, 21:46)Holger2 schrieb: Daran sind die Anträgein Esslingen gescheitert. Die Anträge in Esslingen sind an der der Vorgabe des elektrischen Betriebs gescheitert. Daher sind Fischle / Schlienz ja dann später mit der Vorstellung des Batteriebusses gekommen, weil sie scheinbar dachten, nach der Entscheidung noch etwas verändern zu können. Allerdings ist das m.E. nur genannt, um sich zum anderen Punkt nicht äußern zu müssen.
Aber Tübingen ging sogar von Privaten an die Stadt. Man hat zwar nichts gehört, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es dort nicht auch Versuche gab, eigenwirtschaftliche Angebote abzugeben. Das wäre ja die richtige Größe und noch hoher ÖPNV-Anteil, nach Deiner Vorgabe ja eigentlich ideale Voraussetzungen dafür. Nur wollte die Stadt halt selber ...
Auch in Göttingen wurde groß getönt - und wer fährt heute: die Stadt.
(05. 09. 2020, 21:46)Holger2 schrieb: Was den Nahverkehrsplan angeht, da hat sich die Stadt ganz schön über den Tisch ziehen lassen. Im Prinzip wird darin das Liniennetz der 80er Jahre manifestiert. Die maximale Entfernung sollte max. 500m zur nächsten Haltestelle sein, außer bei x, y oder z. Dies wird kaum irgendwo erreicht. Zum Vergleich: In Frankdurt sind es 350m. Da stimme ich zu.
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In Leonberg fahren demnächst aich die Stadtwerke. Diese vergeben die Aufträge dann an Subunternehmen. Scheinbar kann man so sparen oder flexibler sein, sonst würde man es ja nicht machen.
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(06. 09. 2020, 02:10)Stromabnehmer schrieb: In Leonberg fahren demnächst aich die Stadtwerke. Diese vergeben die Aufträge dann an Subunternehmen. Scheinbar kann man so sparen oder flexibler sein, sonst würde man es ja nicht machen. In Remseck ist es auch so. Sparen wird man da nichts (wie auch), aber die Stadt hat so mehr direkten Einfluss auf das Angebot.
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Hallole,
bezüglich Dürrlewang: Es sind ja nur wenige hundert Meter bis Rohr. Seit dem die U1 dort nimmer hin fährt, sind die dort lebenden bestimmt ganz froh über die U12.
Grüßle
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(02. 07. 2023, 21:39)AFu schrieb: [...] bezüglich Dürrlewang: Es sind ja nur wenige hundert Meter bis Rohr. Seit dem die U1 dort nimmer hin fährt, sind die dort lebenden bestimmt ganz froh über die U12 [...] Kommt drauf an, wo in Dürrlewang. Bereits seit 1959 gab es ja einen SSB-Bus (Linie Dg) dahin.
Und Du meinst wohl die Linie 1, denn eine U1 fuhr niemals nach Rohr.
"I muaß dui Stroßaboh no kriaga, denn laufa well i nedd..." >> Dr Wolle
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Hallole,
der Sinn meines Textes ist so schon richtig gemeint. - Logisch weiß ich, dass 1986 schluss war mit der Straßenbahn in Rohr, und dass das U 1989 eingeführt wurde.
Beim Schreiben war ich auf den Sinn konzentriert, so dass mir dieser schwerweiegende Fehler passiert ist.
Oft genug wird auch von anderen das "U" weg gelassen, obwohls gemeint ist.
Aber warum wird erwartet, dass man sich dazu rechtfertigt, wenn es ja klar ist, was man gemeint ist?
Grüßle
AFu
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