Mit dem Thema Obus beschäftigt sich mittlerweile auch die Wissenschaft vor den Hintergründen Verknappung der Erdölvorräte, Luftreinhaltung, CO2-Reduzierung, aber auch Attraktivitätssteigerung des ÖPNV, was politisch derzeit leider wieder etwas abgerückt ist. Hiernach hat der Obus durchaus eine gute Zukunft. Dass das Thema nicht nur von "durchgeknallten Fuzzies" hochgehalten wird, zeigt der Zusammenschluss von beratenden Ingenieuren, Herstellern und Verkehrsbetrieben zur Interessengemeinschaft TrolleyMotion (
http://trolleymotion.org), u.a. ist auch die EnBW mit im Boot. Unter dem Link kann jeder die Argumente für den Obus nachlesen.
Vor dem Hintergrund dessen wundert es mich, dass in Stuttgart große Anstrengungen unternommen werden, neue Technologien zu testen, die m.E. dem Obus nie das Wasser werden reichen können. Ich meine, die Ideen dahinter sind ja nicht schlecht; vielleicht ist der Einsatz von Brennstoffzellen- und Hybridbussen in dieser Hinsicht gar nicht mal so schlecht, um zu zeigen, dass bewährte Techniken durchaus noch ein Wörtchen mitzureden haben.
Zum Thema Brennstoffzelle: Das Problem ist gar nicht mal die Serienreife der Brennstoffzelle selbst. Vielmehr ist die Herstellung von Wasserstoff das Thema, das den Entwicklern die meisten Kopfzerbrechen bereiten dürfte. Zwar entsteht Wasserstoff als Abfallprodukt in der chemischen und pharmazeutischen Industrie; um den Energiebedarf allein im Linienbusverkehr zu decken, müsste man zusätzlich Wasserstoff etwa durch Gewinnung aus Erdgas oder durch Elektrolyse aus Wasser gewinnen. Ersteres ist nicht CO2-neutral. Letzteres benötigt fünfmal mehr Energie, als man wieder herausholen kann.
Da Lagerung und Transport von Wasserstoff auch nicht ganz problemfrei ist, wäre es sinnvoller
- den Wasserstoff als Abfallprodukt an Ort und Stelle zu verwerten, wobei nach Abzug des Eigenbedarfs der Industriebetriebe nichts mehr für die Allgemeinheit übrig bleibt;
- aus Erdgas kein Wasserstoff oder Methanol zu gewinnen, sondern gleich auf herkömmliche Weise zu verbrennen;
- selbst bei Vorhandenseins ausreichender regenerativer Energiequellen diese Energie direkt in ein (Ober-)Leitungsnetz einzuspeisen. Für den Ausgleich nicht synchron laufender Angebots- und Nachfragetagesganglinien haben Pumpspeicherwerke einen höheren Wirkungsgrad - wobei mir der Eingriff in die Natur durchaus bewusst ist.
Zum Thema Hybridtechnik: Diese dürfte im Pkw-Bereich durchaus in nächster Zeit eine ernstzunehmende Technik sein; im Linienverkehr - zumal auf hochausgelasteten Innenstadtlinien - frage ich mich, ob diese Überfrachtung von Technik in einem Fahrzeug wirklich zielführend ist. Dass es sinnvoll ist, gerade bei einem Verkehrsmittel, was ständig anfährt und anhält, Energie zurückzugewinnen - noch dazu, wenn es derart über Berg und Tal geht wie bei den genannten SSB-Linien - ist unstrittig. Aber Erfahrungen mit einem Hybridbus an anderer Stelle decken die euphorischen Erwartungen seitens der Industrie nicht.
Ein Obus hat gegenüber einem Brennstoffzellen- wie auch gegenüber einem Hybridbus folgende Vorteile:
- Er ist unabhängig von der eingesetzten Primärenergie, d.h. die Umstellung des Energiemixes hat keine Auswirkungen auf den Fuhrpark.
- Er nutzt die Energie direkt; die Energieumwandlungsketten reduzieren sich gegenüber einem mit Wasserstoff betriebenen Bus, damit erhöht sich dessen Wirkungsgrad.
- Er kann Energie ins Fahrleitungsnetz zurückspeisen und muss dafür nicht schwere Batterien mit sich herumschleppen. Selbst ein Energiespeicher für den Fall, dass zurückgespeiste Energie nicht abgenommen werden kann, sind ortsfest am Fahrleitungsnetz einfacher zu realisieren als im Fahrzeug.
- Er fährt gegenüber einem Hybridbus emissionsfrei vor Ort.
- Er ist leiser als ein Hybridbus.
- Er dürfte billiger sein.
Er hat natürlich auch Nachteile:
- Er benötigt Fahrleitungen und Unterwerke, was zunächst hohe Investitionen erfordert.
- Er ist unflexibler als ein oberleitungsloser Bus. Ein Hilfsaggregat kann zeitweise Lücken im Fahrleitungsnetz nur bedingt überbrücken.
Die größten Barrieren für den Obus sind allerdings subjektiver Natur:
- Sinn und Zweck der Oberleitung wird infrage gestellt, wo es doch Busse gibt, die genauso groß sind und genauso viele Fahrgäste befördern kann, aber keine Oberleitung benötigen. Bei der Straßenbahn werden Fahrleitungen (noch) als notwendiges Übel angesehen.
- Auf absehbare Zeit wird nicht so viel elektrische Leistung installiert werden wie für die Neueinrichtung von Obussen zusätzlich gebraucht, weil:
o keine neuen Atomkraftwerke gebaut werden sollen;
o fossile Kraftwerke auch nicht gewollt sind;
o selbst Windkraftwerke auf Widerstand stoßen.
o gleichzeitig aber der Energieaufwand pro Person steigt, weil mittlerweile
. der graue Wählscheibenapparat durch ein schnurloses Telefon mit permanentem Energiebedarf ersetzt worden ist;
. die Anzahl der Geräte mit externem Netzteil in den letzten 20 Jahren exorbitant angestiegen ist.
Dennoch bescheinige ich dem Obus in den nächsten fünf Jahren zumindest in der Überlegung eine Renaissance auch in Deutschland, da m.E. aus den o.g. Gründen die Vorteile ganz klar überwiegen und auch die sich immer weiter verschärfenden Grenzwerte für Dieselmotoren bald an ihre Grenzen stoßen, indem die Maßnahmen
- die Leermasse der Fahrzeuge erhöhen (Man spricht schon von einer zusätzlichen Achse.),
- der finanzielle Aufwand auch nicht zu verachten ist.
Aus diesem Grund verstehe ich auch nicht, warum sich Daimler bei der Produktumstellung zum Citaro vom Obus verabschiedet hat, wo der O 405 noch so offensiv mit Stangen auf dem Dach angeboten worden ist. Der Aufwand, den Citaro auch als Obus anzubieten, ist ja auch nicht so immens, da der elektrische Antrieb in Form von Radnabenmotoren sowohl für den Brennstoffzellen- als auch für den seriellen Hybridantrieb benötigt wird. Die Oberleitungsausrüstung kann man sich zukaufen - fertig ist der Citaro T. Aber es gibt ja auch noch genügend andere Hersteller.