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Baureihe 430 für S-Bahn Stuttgart
Hallo Ihr Lieben!

Vor zwei Wochen hatte ich das Vergnügen, im Rahmen eines kleinen Stuttgart-Besuches den neuen 430 in Aktion erleben zu können.

Hauptgrund des Besuches war zwar der (noch) zahlreiche 420-Einsatz bei der Stuttgarter S-Bahn, wenn aber der 430 schon mal fleißig auf der S1 seine Runden dreht, fährt man auch mal eine gepflegte Tour von Altbach nach Kirchheim (Teck) und von Kirchheim (Teck) nach Rohr mit Wink.

Kleine Ergänzungen zu den (mir bekannten) technischen Daten:

Neben den bereits bekannten 68,3 Meter Fahrzeuglänge (im Gegensatz zu den "klassischen" 67,4 Metern bei 420 und 423) möchte ich ergänzend hinzufügen, dass der 430 mit 116 Tonnen Leergewicht zehn Tonnen schwerer als der 423 ist (106 Tonnen).

Besonders interessant finde ich das veränderte Bremskonzept beim 430/431:

"Mannesmann Rexroth Pneumatik" hat ausgedient:

Nach Vorbild des 422 von der S-Bahn Rhein-Ruhr ist "Knorr Bremse" Hersteller der pneumatischen Bremsanlage beim 430.

Die wesentlichste Neuerung hat hierbei das in Kurzzug-Mitte befindliche Jakobsdrehgestell erhalten:

Im Gegensatz zum 423, bei dem dieses Drehgestell weder angetrieben, noch gebremst wird, kann es beim 430 pneumatisch mit gebremst werden!

Damit ist bei diesem Drehgestell das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht:

Als besonderes "Schmankerl" verfügt es (als absolutes Novum bei der Stuttgarter S-Bahn!) über Magnetschienenbremsen (kurz Mg-Bremse), okay, von der Größe her betrachtet, wäre der Ausruck "Mg-Bremschen" passender Big Grin...

Angesichts des geringen Einbauraumes, welcher durch den insgesamt niedrigen Raddurchmesser (850 mm im "Neuzustand", um genau zu sein) bedingt ist, ist es nachvollziehbar, dass die "Bremsmagnete" dementsprechend kleiner ausfallen, als man es zum Beispiel von "normalen" Reisezugwagen gewöhnt ist.

Mich würde in dem Zusammenhang interessieren, ob die Mg-Bremse bei der Bremshundertstel-Berechnung berücksichtigt wird oder ob die Berechnung der Bremshunderstel ausschließlich auf Grundlage der ep-Bremse (ohne Mg) erfolgt.

Soweit ich informiert bin (man möge mich korrigieren, falls ich mich irre), wird beispielsweise bei den mit Mg-Bremse nachgerüsteten 425 und dem 422 die Mg-Bremse gar nicht angerechnet.

Da der 430 effektiv das gleiche Bremssystem wie der 422 hat (zumindest ist mir nichts Gegenteiliges bekannt!), müsste demzufolge auch der 430 so "berechnungstechnisch" behandelt werden.

Ist die Mg-Bremse eigentlich separat vom Tf zuschaltbar, oder wirkt die Mg-Bremse ausschließlich bei einer Schnell-, Zwangs- oder Notbremsung?

Wie viele Bremshundertstel hat der 430 eigentlich, wenn alle Drehgestellbremsen aktiv sind?

Ein letzter Punkt, den ich mir im Nachhinein auf der Heimfahrt nach Frankfurt im Kopf durchgehen ließ, war folgende Frage:

Hat der 430 nur an den jeweiligen Enddrehgestellen Besandungsanlagen, oder besitzt er an den jeweils benachbarten Jakobsdrehgestellen, wie der 423, zusätzliche Besandungsanlagen?

Ich hatte während meiner "430-Testfahrt" keine Gelegenheit, einem 430 mal "unter den Rock" zu schauen Big Grin, deswegen die Frage...

Vielleicht findet sich hier ja ein Experte, der den Wissensdurst eines neugierigen, Frankfurter S-Bahn-Fans stillen kann Wink!

Insgesamt empfand ich die "Fahrkultur" des 430, verglichen mit dem 423, an sich recht angenehm, die Haltebremse löst ohne lautes Quietschen aus.

Besonders beeindruckt hat mich die (ich nenne es mal so) "Halteruck-minimier-Automatik" (was für ein Begriff Big Grin):

Kurz vor Stillstand, also wenn die Haltebremse allmählich in Aktion tritt, nimmt der 430 deutlich die E-Bremskraft zurück, ehe die Haltebremse "zupackt".

"Zupacken" ist aber beinahe schon übertrieben, denn die Haltebremse legt - im Gegensatz zum 423 - selbst dann noch relativ sanft an, wenn vorher kräftig eingebremst wurde.

Beim 423 muss der Tf im richtigen Moment auslösen, um einen vergleichbaren Effekt erzielen zu können.

War diese "Automatik" nicht mit einer der Gründe, weshalb das EBA längere Zeit die 430-Zulassung verweigerte?

Ich hoffe doch sehr, dass diese (für den Fahrgast recht angenehme!) Funktion nicht irgendwann im Rahmen x-verschiedener Software-Updates "vernichtet" wird.

Weiter zum Innenraum:

Die Sitze im Fahrgastraum sind wirklich komfortabel!

Anders kann ich es wirklich nicht ausdrücken, denn alles andere wäre gelogen!

Die mit Leder bezogenen Kopfstützen dürften die Reinigung deutlich erleichtern und dafür sorgen, dass die Sitze möglichst lange in vorzeigbarem Zustand bleiben (wenn ich mir dagegen manche "gealterten" 423-Kopfstützen anschaue, kommt bei mir manchmal wirklich ein leichtes "Ekelgefühl" auf Sad).

Gegenüber dem 423 wurde ein entscheidender Schritt nach vorne gemacht, überhaupt habe ich das Gefühl, als hätte man beim 430 deutlich weiter gedacht...

Endlich gibt es wieder über allen Sätzen Gepäckablagen!

Wenn jetzt noch die Fahrgäste diese Einrichtung ihrem angestrebten Verwendungszweck entsprechend nutzen und nicht nur als modische
"Innenraum-Deko", bzw. "offenen Papierkorb" betrachten, stellt diese Modifikation eine entscheidende Verbesserung dar.

Die Anzahl der Klappfenster hat im Vergleich zum 423 etwas zugenommen, ich konnte an einzelnen "Vierer-Sitzgruppen" zwei nebeneinander stehende Klappfenster sehen.

Mobilitätseingeschränkte Fahrgäste haben beim 430 die Möglichkeit, über einen außen am Fahrzeug angebrachten Druckknopf beim Tf auf sich aufmerksam zu machen.

Beim 423 fehlt diese Rufmöglichkeit außen am Fahrzeug.

Wobei es mich interessieren würde, ob beim 430 alle äußeren Druckknöpfe aktiv sind oder immer nur die hinter dem besetzten Führerstand Befindlichen.

Wenn Ersteres der Fall ist, hoffe ich inständig, dass möglichst viele Fahrgäste soweit mitdenken, immer den dem Führerstand am Nächsten liegenden Druckknopf zu betätigen.

Hierbei denke ich nicht nur an sich eventuell verlängernde Haltezeiten, wenn der Tf - im ungünstigsten Fall jeweils über 200 Meter - nach hinten und wieder nach vorne latschen muss, sondern auch an die Tf´s selbst, denn wenn alle Knöpfe "scharf geschaltet" sind, ist die Gefahr nicht gering, dass "Spielkinder" aus Spaß an der Freude wild und überflüssigerweise auf die Knöpfe drücken werden!

"Fehlalarme" könnten aber auch vom Mehrzweckraum aus (allerdings mehr versehentlich) getätigt werden, denn so positiv ich es auch finde, dass die Bedienelemente der "Rampen-Anforderung" insgesamt deutlich größer geworden sind:

Muss das Bedienfeld ausgerechnet über einem Klappsitz in Nackenhöhe angebracht werden?

Da braucht sich nur jemand ordentlich an die Lehne des betreffenden Klappsitzes anzulehnen und schwupp, Hilferuf betätigt!

Der letzte Punkt betrifft die Türsteuerung und die Spaltüberbrückung:

Mir ist eines besonders deutlich aufgefallen:

Es dauert ziemlich lange, ehe die Türsteuerung den vom Tf gegebenen "Tastenbefehl" erkennt und entsprechend umsetzt.

Beim 423 ist es bekanntlich so, dass kurz vor Stillstand die Türknöpfe auf dem Pult blinken und der Tf dann den der gewünschten Türseite entsprechenden Knopf drückt.

Sobald die Haltebremse den Zug "festhält", sind die Türen freigegeben.

Beim 430 dauert dieser Vorgang aber deutlich länger, was vermutlich damit zusammen hängen dürfte, dass insgesamt einfach mehr Funktionen in Sachen "Türsteuerung" vorhanden sind.

Statt drei, stehen sechs Knöpfe (!) zur Auswahl.

Vor langer Zeit gab es mal im Netz eine Aufnahme von den Knöpfen, ich hoffe, dass ich es noch richtig in Erinnerung habe:

Obere Reihe, von links nach rechts:

"Zentrales Öffnen links" - "Schiebetritt sperren" - "Zentrales Öffnen rechts"

Untere Reihe, von links nach rechts:

"Türfreigabe links" - "Zwangsschließen" - "Türfreigabe rechts"

Somit entspricht die untere Reihe dem, was der 423 auch hat.

Aber, wie schon oben geschrieben:

Es sind nur Erinnerungsfragmente, die ich aus dem Hinterkopf "gekratzt" habe, deswegen übernehme ich keine Gewähr für die hundertprozentige Richtigkeit der Angaben.

An einzelnen Stationen nutzten die Tf´s die Möglichkeit der zentralen Türöffnung.

Auf einen Schlag öffneten sich sämtliche Türen auf der Bahnsteigseite und blieben auch geöffnet.

Ich kenne eine solche Technik aus dem Straßenbahnbereich, so besitzen beispielsweise "unsere" Frankfurter S-Wagen ebenfalls eine derartige Funktion.

Der letzte Punkt betrifft die Spaltüberbrückung:

Sie ist beim Ausfahren "lahm" und fiept nervtötend, dafür sind die Teile aber schnell wieder eingefahren (wenn sie funktionieren!).

Bedenklich finde ich aber die Tatsache, dass die Schiebetritte - ähnlich wie der Trittstufenkontakt bei Straßenbahnen - beim Auftreten leicht nachgibt.

Gerade ältere Menschen könnten - wenn sie sich nicht an einer der inneren Haltestangen festhalten - stürzen.

Die Frankfurter 430 werden diese Spaltüberbrückung nicht bekommen.

An dieser Stelle möchte ich ein Bild verlinken, auf dem ein solcher "Rhein-Main-430" auf einer Überführungsfahrt zu sehen ist, 430 100:

http://www.bahnbilder.de/1024/185-251-6-...685390.jpg

Besonders auffällig sind die fehlenden Blenden im Bereich der HLKR-Geräte auf dem Fahrzeugdach.

Gut möglich, dass die irgendwann noch angebaut werden (der Triebzug sieht noch nicht "komplett" aus, man beachte nur die Lackierung der Fahrzeugfront), lassen wir uns überraschen!

So, es war wieder sehr viel Text gewesen, vielen Dank, dass Ihr Euch die Mühe gemacht habt, ihn zu lesen!

In diesem Sinne wünsche ich Euch viel Erfolg mit "eurem" 430!

Freundliche Grüße aus Frankfurt,

Christian




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Ich habe gestern ein Video am Hbf vom 430 gemacht. Demnach dauert das öffnen der Türen vom Stillstand des Zuges an gemessen 11 sec. Die geplante Fahrgastwechselzeit von 30 Sekunden wird also um zwei mal 11 sec beschnitten. Insgesamt frisst diese Technik also ca. 60% der theoretischen Fahrgastwechselzeit auf. So bleiben theoretisch nur noch 8 sec übrig. Angenommen ein Fahrgast steigt in 0,8 sec ein, bzw. aus. Bleiben an jeder Türe noch 9 bis 10 Aus- und Einsteiger übrig. Es können also grade so 5 (schnelle) Personen pro Türe zusteigen. An einigen Türen steigen aber in der HVZ und bei Gruppen 20 und mehr Personen ein und aus.

Von der DB heißt es dazu: "Das Ein- und Ausfahren der Tritte, die mehr Komfort und mehr Sicherheit bieten sollen, bräuchten aber „nur zwei bis drei Sekunden“. Dies komme manchem Fahrgast „ziemlich lange vor“, sagt der Bahn-Vertreter, es habe deswegen etliche Anrufe gegeben." http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt...4ab49.html

Abgesehen davon dass es nachweislich mindestens 4, eher 5 sec zusätzlich sind, die die Technik des 430 im Vergleich zum 423 länger braucht ist der 430 den Anforderungen der S-Bahn Stuttgart offensichtlich nicht gewachsen, weil die Beschneidung der Fahrgastwechselzeit von 30 sec mit zusätzlich mindestens 8 sec ein Zeitverlust im berechneten Fahrgastwechsel von erheblichen ca. 30% im Vergleich zum ET 423 bedeutet. Und wie wir alle wissen braucht selbst der schon zu lange.

Zum Vergleich: Der Fahrgastwechsel beginnt beim 420er bei 0 bis 1 sec und beim 423 bei ca. 6 sec. Das sind erhebliche Unterschiede meine Damen und Herren.

Das Video werde ich in den nächsten Tagen auf Youtube hochladen.
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Hallo Taschenschieber & danke für die detaillierte Begutachtung "unserer" 430er! So ausführlich hab ich da noch nie drüber nachgedacht.

(06. 06. 2013, 01:40)Taschenschieber schrieb: dass der 430 mit 116 Tonnen Leergewicht zehn Tonnen schwerer als der 423 ist (106 Tonnen).
Das find ich hammer! Grad wenn man bedenkt dass heutzutage alles aus Leichtbau getrimmt ist, bei manchen Neubaufahrzeugen muss man sich ja schon bei einem Sturm Sorgen machen dass sie wegfliegen könnten... Anyway, also wenn sie trotz der Gewichtszunahme den Stromverbrauch reduzieren konnten, dann alle Achtung!

(06. 06. 2013, 03:34)338kmh schrieb: Der Fahrgastwechsel beginnt beim 420er bei 0 bis 1 sec
Oft geht die Tür auch schon kurz vor dem vollständigen Stillstand auf. Ich spring dann immer gern schon raus und "nehme den Schwung mit". Jaja ich weiß, soll man nicht machen, aber diesen letzten Rest jugendlichen Übermutes hab ich mir bis ins Alter bewahrt. Wie damals Hans Rosenthal, immer zwei Schritte auf einmal die Showtreppe runter <==lang isses her!
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Genau wegen des Gewichts fährt der 423 im Herbst auch nicht sondern rutscht Wink
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(06. 06. 2013, 16:33)A streetcar named desire schrieb: Oft geht die Tür auch schon kurz vor dem vollständigen Stillstand auf. Ich spring dann immer gern schon raus und "nehme den Schwung mit". Jaja ich weiß, soll man nicht machen, aber diesen letzten Rest jugendlichen Übermutes hab ich mir bis ins Alter bewahrt. Wie damals Hans Rosenthal, immer zwei Schritte auf einmal die Showtreppe runter <==lang isses her!

Offenbar ist es möglich, wenn es so eingestellt ist dass die Türen beim 420 bereits bei 7 km/h geöffnet werden können. Theoretisch beginnt die Fahrgastwechselzeit dann schon bei schätzungsweise bis zu -3 sec. Diese Annahmen kann ich aber dem Ansatz nicht zugrunde legen Wink Aber ich würde fast sagen, dass für die besondere Stuttgarter Situation ausschließlich die Baureihe 420 ohne Verspätungen bewältigen kann. Die 420er puffern zur Zeit noch die 423 ab. Spätestens mit dem 430er kommt man aber in der HVZ endgültig auf keinen Grünen Zweig mehr.
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So sehe ich das auch, nur wird das beim VVS, der DB und dem VRS gewaltig schön geredet!
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(07. 06. 2013, 09:02)Busfan 92 schrieb: So sehe ich das auch, nur wird das beim VVS, der DB und dem VRS gewaltig schön geredet!

Die Verantwortlichen werden schon noch merken, in was für eine Situation sie die Region Stuttgart damit geritten haben. Die Quittung dafür dürfen die Fahrgäste in den nächsten Jahrzehnten an jedem Wochentag auslöffeln.
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(07. 06. 2013, 22:30)338kmh schrieb: Die Verantwortlichen werden schon noch merken, in was für eine Situation sie die Region Stuttgart damit geritten haben. Die Quittung dafür dürfen die Fahrgäste in den nächsten Jahrzehnten an jedem Wochentag auslöffeln.

Nochmal: Das ist eine Vorgabe der TSI. Auch bei anderen neuen Fahrzeugen führt dies - bei unveränderten Fahrzeiten - zu Verspätungen. Eine Lösung kann leider nur sein, die entstehenden Haltezeitverlängerungen in den Fahrplan einzuarbeiten.

"Die Verantwortlichen" - wer soll das sein? die EU-Politik? Behinderten-Lobbyisten, die ihre Bedürfnisse dort durchgesetzt haben? So einfach finde ich es nicht, hier eine Schuldigen zu finden, sofern man überhaupt davon sprechen kann.
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Warum (und ich wiederhole diese durchaus ernstgemeinte Frage) kann dann Frankfurt die Bahnen ohne Trittstufen bestellen?

Bald werden auch in Stuttgart die Rufe nach einem zweiten Stammstreckentunnel laut. Aber Tunnel graben wird in Stuttgart zur Zeit ja nicht grad gern gesehen. So what, vielleicht fährt ja bald einer der S-Bahn-Linien obenrum über die Gäubahn. Getreu dem Motto "oben bleiben"...
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(08. 06. 2013, 15:44)A streetcar named desire schrieb: Warum (und ich wiederhole diese durchaus ernstgemeinte Frage) kann dann Frankfurt die Bahnen ohne Trittstufen bestellen?

Gibt es dafür einen Beleg?
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