15. 02. 2012, 23:11
(15. 02. 2012, 09:18)noname schrieb: Ich hab da so ein Gefühl, dass manche das eindeutige Abstimmungsergebnis einfach nicht akzeptieren wollen. Ich empfinde das als eine Beleidigung auf unsere freiheitlich demokratische Grundordnung. Werden hier nur Mehrheiten akzeptiert, die einem passen?! Die Mehrheit ist nun mal für den neuen Bahnhof! Ich verstehe nicht, was mit solchen Diskussionen erreicht werden soll. Kretschmann (was ich nicht erwartet hätte!) hat vorgemacht, wie eine angemessene und richtige Reaktion auf die Abstimmung aussehen sollte
Es wurde zwar gefühltermaßen schon einige hundert Mal erwähnt, kann aber offenbar nicht oft genug wiederholt werden: es gibt seit dem Volksentscheid lediglich ein amtlich bestätigtes und zugegebenermaßen recht eindeutig ausgefallenes Votum, daß das Land nicht einseitig aus den gemeinschaftlichen Finanzierungsverträgen aussteigen soll. Nicht mehr und nicht weniger. Das kann man nun durchaus positiv sehen, so bleiben dem Land immerhin Vertragsstrafzahlungen, in welcher Höhe auch immer, erspart. Daraus allerdings ein Votum für den Tiefbahnhof herleiten zu wollen, ist schlicht inhaltlich falsch und unseriös. Ein solches Meinungsbild läßt sich, wenn überhaupt, nach wie vor nur an Umfragen festmachen. Umfragen sind keine Wahlergebnisse, und deren Mißachtung, wenn sie einem nicht passen, galt bisher allgemein nicht als verwerflich.
Herr Kretschmann (und schätzungsweise auch die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung) akzeptiert also, daß das Land nicht aus der Finanzierung aussteigt und somit die geschlossenen Verträge (solange deren Rechts- und Sittenwidrigkeit, von denen etliche Gegner nach wie vor überzeugt sind, nicht nachgewiesen und gerichtlich bestätigt sind), für das Land weiterhin bindend sind. Im Klartext: das Projekt wird (zumindest vorerst) weiter gebaut. Über seine Qualität oder seine Bewertung sagt das zunächst mal rein gar nichts aus.
Die Landesregierung hatte die Volksabstimmung versprochen. Die Form, in der sie durchgeführt wurde (damit meine ich aber ausdrücklich nicht den vorangegangenen "Wahlkampf"), war offenbar verfassungsrechtlich tatsächlich die einzig mögliche. Das Versprechen wurde erfüllt. Nur als Instrument, um das Projekt zu kippen, hat sich die Abstimmung eben als untauglich erwiesen, und dementsprend verhält sich (was bleibt ihr auch anderes übrig?) die Regierung aktuell. Das Kippen des Projekts war allerdings ein Wahlversprechen von Herrn Kretschmanns Partei, und es gibt auch nach dem Abstimmungsergebnis keinerlei Grund, von diesem Ziel abzurücken. Man kann ja inhaltlich nach wie vor seine Gründe haben, den Tiefbahnhof abzulehnen. Dadurch braucht sich die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht beleidigt zu fühlen (zu der ja auch Meinungsfreiheit gehört), und es ist keine Mißachtung des Abstimmungsergebnisses. Das ist es auch nicht (und auch kein Verschulden der Gegner), wenn anscheinend die Zeit und die (u.a. planerischen) Unzulänglichkeiten des Tiefbahnhofs, die einige Gegner schon seit langem vorgebracht haben und die nun immer deutlicher auch objektiv hervortreten, gegen das Projekt arbeiten. Diese Erkenntnis (oder Hoffnung?) braucht sich kein Gegner nehmen zu lassen: wenn das Projekt doch noch scheitert, dann an sich selber bzw. an dessen Betreibern.
So, jetzt ist die Antwort doch länger geworden als vorgesehen. Ich wollte damit vor allem zum Ausdruck bringen, daß ich das hier keineswegs für eine Diskussion "um Kaisers Bart" halte. Ich persönlich finde sie durchaus berechtigt und sehe sie auch nicht im Widerspruch zu den bisher gefallenen Entscheidungen und Abstimmungen. "Das Volk" hat zwar gesprochen, aber der Bahnhof ist noch lange nicht fertig. Noch weiß niemand, ob er das im angekündigten Zeitrahmen wird, aber Gründe, das zu bezweifeln, gibt es nach heutigem Stand meiner Meinung nach genug.
...im Übrigen bin ich der Meinung, daß die U15 in die Nordbahnhof- und Friedhofstraße gehört! (frei nach Marcus Porcius Cato d.Ä.)