Hallo zusammen!
Mit großem Interesse verfolge ich die Entwicklung der Baureihe 430 bei der Stuttgarter S-Bahn, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass diese Fahrzeuge auch bei meiner "Haus-und-Hof-S-Bahn" im Rhein-Main-Gebiet zum Einsatz kommen werden.
Bedingt durch die Tatsache, dass es mir bislang noch nicht vergönnt war, mit einem dieser neuen Züge mitzufahren, beziehen sich meine Kommentare einzig und alleine auf die "Erkenntnisse", die ich aus Erfahrungsberichten, Fotos etc. gewinnen konnte.
Auffälligste Neuerung des neuen 430ers gegenüber den bisher im Raum Stuttgart eingesetzten S-Bahn-Triebzügen sind die von meinen "Vorrednern" bereits genannten Schiebetritte.
Im Großen und Ganzen eine interessante Neuerung, die es in dieser Form bei der Stuttgarter S-Bahn bislang noch nicht gab und deren "Alltagstauglichkeit" erst unter realen Bedingungen geprüft werden muss.
Man kann dafür oder dagegen sein, aber eines ist sicher:
Die "Spaltüberbrückung" ist eine neu hinzugefügte Komponente, welche zusätzlichen Wartungsaufwand und im täglichen Betrieb eine zusätzliche Störquelle darstellen kann (eben, wenn das System nicht so funktioniert, wie es das eigentlich soll).
Aus Sicht des "übrigen" Eisenbahnverkehrs sind Spaltüberbrückungen in unserem Land längst nichts Neues mehr.
Fahrzeuge - wie beispielsweise die "LINT"-Familie - haben dieses Bauteil vor Jahren in den allgemeinen Fahrgastbetrieb gebracht und nicht selten aufgezeigt, wie aufwendig bisweilen das Beseitigen von Störungen dieser Vorrichtung ausfallen kann.
Ich denke hierbei weniger an das Szenario "Schiebetritt fährt nach erfolgter Türfreigabe nicht AUS", als vielmehr an die Option "Schiebetritt fährt nach erfolgter Rücknahme der Türfreigabe, bzw. dem "Zwangsschließen" nicht mehr EIN".
Mir haben die bei der Hessischen Landesbahn im Einsatz befindlichen LINT, zugegebenermaßen selten, bereits demonstriert, wie zeitraubend das Wiedereinfahren eines defekten Schiebetrittes dauern kann (wenn es überhaupt gelingt!).
Und hier schreibe ich über ein Fahrzeug, welches in der Endsumme (pro Triebzugseite) über sage und schreibe zwei Doppeltüren verfügt (!).
Jetzt versuchen wir diesen Umstand auf den 430 zu übertragen, der als Kurzzug 12, in der Vollzug-Konfiguration 24 und schließlich als Langzug-Komposition über 36 Einstiegstüren pro Fahrzeugseite verfügt.
Unter diesen Vorzeichen ist die Technik gut beraten, möglichst NICHT zu versagen, nur kann auch die beste Wartung nie eine hundertprozentige Ausfallsicherheit garantieren.
Wie eingangs erwähnt:
Der Denkansatz ist ja nicht verkehrt, ganz im Gegenteil!
Nur ist es für mich nicht nachvollziehbar, weshalb in solchen Fällen für eine an sich recht einfache Aufgabenstellung (in diesem Fall Reduzierung des Spaltes zwischen Zug und Bahnsteigkante) eine technisch aufwendigere Lösung gewählt wurde.
Was ist mit dem "guten, alten Schutzbord", jenes Bauteil, das wir alle aus dem ET 420 kennen?
Hätte es nicht ausgereicht, auf Altbewährtes zurückzugreifen?
Schutzborde unterhalb der Einstiegstüren, über die komplette Fahrzeuglänge verteilt, hätten zwar ein paar Zentimeter mehr Abstand zwischen Zug und Bahnsteigkante frei gelassen als eine automatische Spaltüberbrückung, aber den Spalt insgesamt überbrückt.
Als jederzeit abnehmbare Bauteile hätten sie die Möglichkeit geboten, bei Überführungsfahrten, welche aus dem angestammten Einsatzgebiet hinausführen, die betrieblichen Einschränkungen etwas zu minimieren.
Was die Frage von "mr-it" nach den unterschiedlichen Bahnsteighöhen angeht:
Das Anfahren von 76 cm hohen Bahnsteigen mit S-Bahnen, welche eine Fußbodenhöhe von rund 102 cm aufweisen, ist der Tatsache geschuldet, dass an 96 cm hohen Bahnsteigen das Verkehren von Zügen mit Lademaßüberschreitung nicht gestattet ist.
Um S-Bahnen einerseits, und Züge mit Lademaßüberschreitung andererseits auf ein und demselben Gleis verkehren lassen zu können, dürfen die Bahnsteige nur maximal 76 cm hoch sein.
Bahnsteige auf reinen S-Bahn-Strecken, also solche, die nur von 420, 423 und 430 befahren werden, werden in dieser Hinsicht autonom behandelt und können mit der fahrgastfreundlicheren Einstiegshöhe von 96 cm errichtet werden.
Die Fußbodenhöhe der S-Bahnen von mehr als 100 cm wiederum ist erforderlich, um einen podestfreien Innenraum mit vielen Einstiegstüren anbieten zu können.
Ihr braucht euch nur den 425 anzuschauen:
Dieser Triebzug hat einen rund 20 cm niedrigeren Wagenfußboden und damit (weil die Drehgestellbauteile in den Fahrgastbereich hineinreichen) Podeste und insgesamt weniger Türen.
Bei Hochflurfahrzeugen kann ich also beliebig viele Türen einbauen, bzw. die Tür- und Fenstereinteilung des Zuges unabhängig vom Drehgestellbereich gestalten.
Das ist der Grund für den (natürlich) unbefriedigenden Kompromiss an den 76 cm hohen Bahnsteigen auf Mischbetriebsstrecken.
Ein letzter Punkt, der mir spontan in den Sinn kam, als ich die ersten Innenraumbilder des 430 sah:
Warum hat dieses Fahrzeug, wie die 7. und 8. Bauserie des 420, an den Windfängen im Einstiegsbereich horizontal verlaufende Haltestangen?
Bei den Taschenschiebetüren-420ern und den 423ern (mit Ausnahme der 1. Klasse-Rückwand) können sich Kurzstreckenfahrgäste dicht an die links und rechts neben den Türen befindlichen Türsäulen stellen und damit den Durchgang zwischen Sitzbereich und Türöffnung für ein- uns aussteigende Fahrgäste frei halten.
Wenn ich mich im 430 an eine Türsäule stelle, kann ich zwar meinen "Allerwertesten" an die Horizontal-Haltestange anlehnen, aber damit stehen meine Füße zwangsläufig ein- und aussteigenden Fahrgästen im Weg.
Kommt jetzt ein anderer "Steh-Fahrgast" hinzu, der sich an die gegenüber liegende Türsäule anlehnt, reduzieren wir beide - unfreiwillig - die eigentliche Durchgangsweite der Türen.
Selbst wenn ich mich nicht an die Stange anlehne, stehe ich den ein- und aussteigenden Fahrgästen im Weg, weil die Haltestange mir einen großen Teil der Türsäulenfläche wegnimmt und ich im Ausgleich dichter an den Öffnungsbereich der Türen komme.
Ich behindere nicht nur den Durchlass, sondern sorge gleichzeitig mit meiner Stehposition für kurzzeitige Irritation bei den einsteigenden Fahrgästen, denn für diese ist ja im ersten Moment nicht ersichtlich, ob ich aussteigen will oder nur herumstehe.
Diese Erfahrung habe ich in Frankfurt desöfteren gemacht, wenn ich das Glück hatte, in einem der vier vorhandenen Bauserie-7a-420ern mitfahren zu können.
Gut möglich, dass meine Überlegung auf den Stuttgarter-S-Bahn-Alltag nicht übertragbar sind, aber es wäre trotzdem mal interessant zu wissen, wie sich die Konzeption der Einstiegsräume beim 430 (im Vergleich zum 423) in der Praxis bewährt.
Vielleicht finden sich ja zwei "Tester", die zur HVZ in einem 430 mitfahren und sich zwischen Schwabstraße und Hauptbahnhof beidseitig der Tür postieren und das Ein- und Aussteigeverhalten der Fahrgäste studieren
.
Dann müssten die beiden aber den Test noch mit einem 423 auf demselben Streckenstück wiederholen, um "Vergleichswerte" erhalten zu können
.
So, das war es von meiner Seite, ich hoffe, dass meine Ausführungen einigermaßen verständlich waren!
Freundliche Grüße aus Frankfurt,
Christian