13. 01. 2012, 11:53
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 13. 01. 2012, 11:58 von Andy0711.)
(12. 01. 2012, 23:06)WN 26 schrieb: Heute wollte ich es auch einmal wissen und bin die Strecke extra abgefahren. Das "ö" hat vielleicht etwas langgezogen und ziemlich stark geschlossen geklungen, war aber meinem Empfinden nach trotzdem noch ein "ö" oder schlimmstenfalls noch ein "ë", aber ganz sicher kein "ü" .
Die Lautwahrnehmung ist auch innerhalb von Deutschland nicht einheitlich, von daher trifft es Kulturkreis nicht (vgl. Beitrag weiter oben).
Im Grunde genommen erlernt jeder Mensch Vokale ähnlich wie Farben, d. h. welche Farbe jetzt z. B. mintgrün ist, wird erlernt und antrainiert.
Der einzige Unterschied ist, dass wir leben, "denken" und erwarten, es gäbe nur "ein" a, e, i, o, u, ä, ö, ü und nichts anderes - konsequenterweise müsste man genauso behaupten, es gäbe nur gelb, rot, grün, blau, braun, lila, rosa und orange, obwohl es durchaus auch türkis oder eisblau gibt. Bei einem Streit, ob türkis jetzt blau oder grün ist, würde das dann auch jeder anders sehen, wenn wir kein umgangssprachlich verwendetes Wort dafür hätten. So gibt es bei Farben ähnliche Kulturunterschiede, die damit zusammenhängen, ob es in der jeweiligen Sprache üblich ist, bestimmte Farbwärter zu benutzen.
Das ist also absolut keine Wahrnehmungsstörung sondern eine individuell unterschiedliche "Eichung" der Wahrnehmung. Diese Eichung findet statt, um zu Vereinfachen, damit wir nicht hunderte verschiedene Vokale unterscheiden müssen, was bei schlechten Akustikverhältnissen zu einer schwierigeren Verständigung führen würde - es ist also eine Verschleierung der Wahrheit mit der Funktion einer Redundanz.
So haben wir im Deutschen drei verschiedene "ch"s, ohne es zu bemerken, wie in ich, Bach und Buch. Ein Fremdsprachiger muss alle drei lernen und dann noch wissen, wann welches kommt. Bei den Japanern (oder waren es andere Asiaten?) mit l/r ist es dasselbe: es ist für sie ein Buchstabe und an der einen Stelle wird er immer als l gesprochen und an der anderen immer als r (z. B. am Satzende, Silbenanfang, vor "i" oder nach "a"). Die ist ähnlich wie bei der deutschen Auslautverhärtung, bei der wir z. B. "Hund" im Gegensatz zu "Hunde" als "Hunt" aussprechen. Daher ist es für diese sehr mühselig zu lernen, dass im Gegensatz zu Ihrer intuitiven Aussprache, die ebenfalls der Redundanz dient, bei uns beides an allen Stellen vorkommen kann und das dann auch noch einen Unterschied machen kann. Ähnliche Besonderheiten gibt es für d (stimmhaft, nicht angehaucht) und t (stimmlos, angehaucht): im Tschechischen gibt es hier alle vier Kombinationen (ď, d, ť und t) - wir würden aber alles entweder als t oder d "hören" (= in unser Schema pressen).
Also macht Euch keinen Kopf über ö und ü (man denke an den "Führer") - ich bin mit meiner Frau auch nicht einig, was mintgrün ist. Ihr "mintgrün" ist einfach "türkiser" als meines (höherer Blauanteil).